Whitewater Rescue Technician Ausbildung

Anfang Juni 2020 im AOS Hostel Großreifingen, Österreich; Wildwasserabteilung WSC Ketsch

In diesem Jahr bildete der Wassersport Club Ketsch fünf neue Whitewater Rescue Technician aus. Die Wildwassersportler wurden darin geschult, Leben zu retten, wie sie verunfallte Wassersportler aus ihrer misslichen Lage befreien und sicher zum Ufer bringen können. Da in diesem Sommer wahrscheinlich viele der bewachten Seen und Schwimmbäder geschlossen bleiben, wird das erlernte Wissen auch den vielen Wildbadern zu gute kommen, welche die Rheinarme besuchen.

 

Unser WRT Wochenende begann wie jede Ausbildungen mit einer kurzen Vorstellungsrunde. Teilnehmer an diesem Whitewater Rescue Technician – Professional Lehrgang waren Luis Salamon, Alexander Ader, Till Aichele, Frederik Kotterba und Jonathan Green. Von Sebastian Larcher – unserem Instruktor- erfuhren wir, dass dieser Kurs in den 70ern Jahren entstand, von Feuerwehrleuten organisiert, als Antwort auf diverse, zum Teil tödliche Einsätze der Feuerwehr im Strömungsgewässer und bei Hochwasser-Katastrophen. Damit möglichst viele Menschen lernen, wie sie sich sicher im Wildwasser bewegen, wurde dieser Kurs auch für interessierte Wildwasserkanuten freigegeben. 

Wir starteten mit einer 3h Theorieeinheit über Gefahren im Wasser, Hydrologie, Strömungen, Kommunikation am Bach und einer abgespeckten Einheit über Erste Hilfe, da die Teilnehmer fast alle auch im DRK ehrenamtlich engagiert sind. Nach einer kurzen Mittagspause ging es los: Wir fuhren nach Wildalpen an die Slalomstrecke, welche durch den Regen einen angenehmen Pegel hatte und dennoch, Corona sei Dank, recht wenig besucht war.
Nachdem alle in ihre Trockenanzüge gestiegen waren und sich mit der nötigen PSA (Persönlichen Schutzausrüstung) ausgestattet hatten, waren wir schon bereit für unseren ersten Praxisteil. Zur PSA gehören pro Paddler: Wärmeerhalt in Form eines Trockenanzuges oder eines Neoprens, festes Schuhwerk, Helm, Schwimmweste, Wurfsack sowie diverse Karabiner und Bandschlingen.

Es begann harmlos mit verschiedenen Schwimmtechniken und Schwimmen durch Wellen und Walzen. Als dann alle so richtig nass waren, begann der eigentliche Spaß. Verteilt über beide Ufer übten wir die Kommunikation mittels Handzeichen und das Retten aus fließendem Wasser mit einem Wurfsack. Nachdem alle das Retten mit dem Wurfsack geübt hatten, besprachen wir theoretisch, wie wir als Gruppe durch einen Fluss waten können. Mittels der Pyramiden-Form durchquerten wir dann den Fluss und kamen am anderen Ufer an.  Im Anschluss wurde zudem das Überqueren eines Baumhindernisses geübt. So bemerkten wir, wie potentiell tödlich Bäume für Schwimmer auch schon bei vermeintlich geringer Strömung sein können. Gegen Abend wurde unter realistischen Bedingungen die Selbstrettung und Fremdrettung aus einer Wehranlage trainiert. Hierbei lehrte uns das Wasser äußerst eindrücklich, wer der Stärkere ist. Und kleiner Tipp bei am Rande: Der Kanut ist es nicht.  

Der zweite Tag unserer Wildwasser-Rettungsausbildung begann im Garten hinterm Haus. Nachdem wir die notwendige Ausrüstung besprachen, welche wir für Flaschenzüge, Menschenrettung und Bootsbergung benötigten, ging es mit praktischen Übungen los. Garniert wurden die praktischen Übungen mit Tipps und Tricks von unserem Ausbilder. Sebastian ist übrigens seit über 30 Jahren als Raft- und Kajak-Guide weltweit unterwegs und einer von 3 zertifizierten Raftguide-Ausbildern in Österreich. Im Winter ist er festangestellt bei der Bergrettung. Einen erfahreneren Instruktor wie ihn zu finden, ist weltweit nur schwer möglich.

Neben Mastwurf, Halbmastwurf und Achter-Knoten wurden auch der Schmetterlingsknoten und der Umgang mit der Prusikschlinge geübt, welcher für einige von uns neu war.  Der Theoriepart beinhaltete auch das Errechnen von Kräften und nötigem Material bei vorgegebenen Bruchlasten. Die nun aktivierten Gehirnzellen halfen uns auch den Vektorenzug besser zu verstehen. Mit diesem Zug können wir zum Beispiel Objekte und Personen besser ans Ufer holen, ohne das Reißen des Wurfsack-Seiles zu riskieren.                      

Ab dem Mittag verbrachten wir die Ausbildung wieder am Bach. Hier hatte Sebastian eine besondere Stelle ausgesucht: Direkt unter dem tödlichen Siphon im Gesäuseeingang – ein klassischer Vierer (Der international anerkannten Skala die bis zu 6 Wildwassergraden enthält) bei Mittelwasser. Ein vorbereitetes Szenario forderte alle frisch erlernten Fähigkeiten. Ein verklemmtes Boot galt es zu bergen und sicher ans Ufer zu bringen. Nachdem wir das Boot endlich erreichten, konnte es mittels verlängertem Wurfsack und Flaschenzug aus seiner Verklemmung gelöst werden. Mit Hilfe eines Vektorzuges zogen wir im Anschluss das Boot Richtung Ufer.                                                                                                                                                     Gegen Ende des zweiten Tages übten wir noch Abseiltechniken mittels improvisiertem Klettergurt und das Retten von verunfallten Paddelkollegen aus unwegsamem Gelände. So ging ein zweiter sehr spannender und überaus kräftezehrender Tag zu Ende. Wir haben eine Menge neue Erfahrungen machen können und alles nach dem Motto: „learning by burning“ (Lernen durch Fehler).  Vermeintliches Wissen wurde überarbeitet und konnte auch vertieft gesichert werden. Und, ganz nebenbei bemerkt: um 21:30 Uhr lagen alle schnarchend in den Betten…

Unser letzter Tag startete wie die restlichen Tage auch pünktlich um 8:00 Uhr in der Früh mit einem Frühstück. Kurz danach trafen wir uns, für eine kurze Theorieeinheit zum Thema „Vermisstensuche am Wasser“. Dieser, sehr lehreiche Teil unserer Ausbildung, vermittelte uns wie wir am Bach am besten nach vermissten Paddlern suchen können und auf was es bei einer effizienten Suche ankommt. Es zeigte uns auch, wie schnell sich das Suchgebiet mit fortschreitender Zeit vergrößert und wie essentiell koordiniertes Vorgehen dabei ist. Nachdem wir im Anschluss unsere Sachen gepackt hatten, machten wir uns auf an den Bach. Am Teilabschnitt „Untere Kummerbrücke“ auf der Enns (ein weiterer klassischer Fünfer bei Niedrigwasser) begann unser letzter Praxispart. Wir spielten verschiedene Szenarien durch, wie wir Personen mit Fußverklemmungen unter Wasser erreichen und stabilisieren können. Hierbei unterscheidet man zwischen vier Fällen:

1. Hilfe nur von einem Ufer oder von beiden Uferseiten möglich,

2. Das Opfer kann uns mithelfen oder kann uns nicht helfen,

3. Das Opfer ist mit dem Kopf oberhalb oder unterhalb der Wasseroberfläche,

4. Das Opfer ist gut erreichbar oder nicht gut erreichbar.

Bei allen Übungen spielten wir gegen die Zeit. Im Anschluss bauten wir uns aus Kajaks und Paddel ein improvisiertes Floß mit dem wir verschiedene Punkte auf dem Fluss über Pendelverfahren erreichen konnten. Das hierbei verwendete Pendelverfahren, mit spitzen Winkeln von beiden Uferseiten aus, benutzten wir im Anschluss auch für eine Springersicherung. Der Schwimmer wurde hierbei von beiden Ufern gesichert und so gezielt zu einer verunfallten Person im Bach herangelassen.  Am Ende übten wir alle besprochenen und geübten Szenarios der vergangenen Tage in verschiedenen Kombinationen und konnten so viele wichtige Erfahrungen sammeln und „practical skills“ festigen.

Die Übungsszenarien – so erfuhren wir im Nachhinein – waren übrigens zeitgleich die praktische Abschluss-Prüfung. Nach einer abschließenden Besprechung wurde uns schließlich feierlich das international anerkannte „Whitewater Rescue Technician“-Abzeichen überreicht.

Es war für uns alle ein sehr lehrreicher und überaus spannender Kurs. Wir haben viel Neues gelernt und wichtige Erfahrungen machen können. Der Bach gewährt uns nur den Zutritt, aber die Macht über das was passiert, hat immer noch er und so sollten wir uns auch auf ihm bewegen. Wir haben alle tatsächlich bei den Übungen Grenzerfahrungen gemacht, jedoch festgestellt, dass wir ein gutes Team zu Beginn des Lehrgangs waren, aber ein noch viel Besseres zum Abschluss geworden sind. Wildwasser ist definitiv nichts für Solo-Aktivisten, sondern ein Sport für ein geübtes und geschultes Team. Wir wünschen allen Paddlern eine allseits gute Fahrt und viel Spaß auf dem Bach.

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